Welche Bedeutung hat Taschengeld? Geht es einfach nur darum, Kindern eigenen "Konsum" zu ermöglichen?
Nein, es geht nicht nur um Konsum, sondern vor allem darum Kindern und Jugendlichen ihrem Alter entsprechend Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Darum geht es ja zunehmend in unserer Gesellschaft: Kinder auf dem Weg zu einem selbstbestimmten und autonomen Leben zu begleiten, in dem Selbstregulierung eine große Rolle spielt. Wir leben in einer Konsumgesellschaft und Kinder sind längst Zielgruppe der Wirtschaft geworden. Deswegen sollten sie frühzeitig Erfahrungen im Umgang mit Geld machen dürfen. Das ist wie mit Medien- oder Verkehrserziehung - das fängt heute auch früh an, weil Kinder früh damit konfrontiert sind.
Ab wann sind Kinder im "Taschengeld-Alter"?
Das bestimmen vor allem die Kinder selbst, weil jedes Kind anders ist. Die meisten zeigen spätestens Interesse an Taschengeld mit dem Eintritt in die Grundschule. Das wird vor allem dadurch beeinflusst, wie wichtig das Thema Geld in der Familie ist. Für manche hat etwas einkaufen und bezahlen schon im Kindergartenalter eine große Bedeutung. Diese Kinder sind beispielsweise völlig fasziniert zu sehen, dass man etwas bezahlt und trotzdem Geld zurück erhält. Dann können Eltern das Interesse aufgreifen und ihnen auch schon im Alter von vier bis fünf Jahren einen spielerischen Umgang mit geringen Beträgen ermöglichen. Die meisten Kindergartenkinder interessieren sich aber noch nicht für Taschengeld und sollten damit auch nicht belastet werden. Grundschulkinder, die sich für Taschengeld wenig oder gar nicht interessieren, sollten dennoch welches erhalten. Nicht selten stecken sie es - manchmal über Jahre - vollständig in die Spardose und wollen es plötzlich für einen großen Herzenswunsch wie eine bestimmte Puppe ausgeben, was Eltern dann auch zulassen sollten. Schließlich hat das Kind - zunächst ohne es zu wollen - die Erfahrung gemacht, dass man auf Wünsche hin sparen kann.
Wie viel Taschengeld sollten Kinder bekommen?
Die Summe sollte den Lebensumständen der Familie angepasst sein. Das bedeutet, wenn Eltern viel Geld haben, sollten sie ihre Kinder nicht künstlich knapp halten - und andersrum. Auch im Vergleich zu dem, was Kinder im Umfeld bekommen, sollte der Betrag angemessen sein - sonst entsteht ein subjektives Gefühl von Mangel. Ich halte es für sehr sinnvoll, sich mit anderen Eltern über die Höhe des Taschengeldes auszutauschen - zum Beispiel auf Elternabenden oder mit den Eltern der Freunde.
Grundsätzlich sollte der Betrag so hoch sein, dass sich das Kind seinem Alter entsprechende Wünsche ermöglichen kann: Für einen Erstklässler wären das dann wöchentlich etwa 50 Cent, mit denen er Schnuckelzeug am Kiosk kaufen kann. Bei Kindern, die großes Interesse am Umgang mit Geld haben, kann der Betrag so sein, dass es reicht, um Schulmaterial und später Kleidung selbstständig einzukaufen.
Sollten die Eltern die Höhe festlegen oder das mit ihren Kindern verhandeln?
Alles, was Eltern mit Kindern gemeinsam und demokratisch aushandeln, wird in der Regel von Kindern akzeptiert. Das gilt auch für die Höhe des Taschengeldes. Da wird - je nach Verhandlungsgeschick und -lust der Kinder und Eltern - gefeilscht und argumentiert. Wenn die Eltern-Kind-Beziehung stimmt, wird es eine einvernehmlich Lösung geben. Es sollte auch in die Verhandlung einbezogen werden, was davon gekauft werden soll. Verhandlungsbasis kann das Motto sein: Entweder es gibt weniger und dann kaufen die Eltern ab und an etwas dazu oder es gibt einen größeren Betrag und dann sind beispielsweise Schulmaterial, Kino und Alltagskleidung im Taschengeld enthalten. Das Ergebnis der Verhandlungen sollte man unbedingt schriftlich festlegen, damit nicht verloren geht, was im Taschengeld beinhaltet ist und was Eltern noch zusätzlich bezahlen müssen.
Haben Sie den Eindruck, dass die materiellen Wünsche der Jugendlichen in Relation zum Einkommen der Eltern stehen?
Nein, selten. Mein Eindruck ist eher, dass die Wünsche umso höher sind, je geringer das Einkommen und der Status der Eltern ist. Dabei gibt es jedoch Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen: Jungen orientieren sich stärker am Status, leben in der Gegenwart und wollen häufig ihre aktuellen Bedürfnisse befriedigen. Für Mädchen sind Beziehungen also auch das Wohlbefinden der Familie wichtiger. Deshalb verzichten Mädchen eher auch mal auf's Taschengeld oder kommen besser mit einem geringen Betrag aus, wenn das Familienbudget eng ist.
Sollte das Taschengeld an Regeln geknüpft sein, was davon gekauft werden darf und was nicht?
Grundsätzlich sollten Eltern sich nicht einmischen und ihre Kinder selbst entscheiden lassen. Das bedeutet aber auch, dass Eltern nicht regelmäßig etwas drauflegen, wenn das Taschengeld gleich am Anfang der Woche oder des Monats weg ist - das ist oft schwer durchzuhalten. Geben Kinder ihr Geld für Dinge aus, mit denen die Eltern gar nicht einverstanden sind, sollte das in Gesprächen thematisiert und neu verhandelt werden. Insbesondere bei Jugendlichen, die sich von ihrem Taschengeld zum Beispiel Zigaretten kaufen, womit die Eltern vielleicht nicht einverstanden sind, sollten sie ihren Standpunkt klar machen. Gegebenenfalls können sie sie darin unterstützen sich einen Nebenjob zu suchen. Kinder, die sehr materialistisch sind und viele Konsumwünsche haben, lernen viel über den Umgang mit Geld, wenn sie sehen, wie lange man arbeiten muss, um sich beispielsweise Markenklamotten zu kaufen.
Welche Ratschläge können Sie sonst noch zum Thema Taschengeld und zum Umgang mit Geld in der Familie geben?
Wie bei allen Fragen zur Erziehung können Eltern sich merken: "Erziehung ist zwecklos - Kinder machen einem doch alles nach." Geld spielt in unserer Welt eine große Rolle und kann bei Kindern kein Tabu sein. Es sollte innerhalb der Familie einen offenen - aber nicht ständig problematisierten - Umgang damit geben. Mit Verboten und rigiden Anweisungen kriegt man am wenigsten hin. Deshalb sollte Taschengeld auch niemals aus Strafe gekürzt oder leistungsbezogen gezahlt werden. Taschengeld ist eine Grundversorgung, wie ein Gehalt. Man kann dann eher für besondere Zusatzleistungen - wie Auto aussaugen oder Fenster waschen - einen Extrabetrag zahlen. Es gibt ja sogar Forderungen nach einem Unterrichtsfach "Finanzen", unter anderem weil viele Jugendliche damit Probleme haben und sich verschulden.
Ist die Weihnachtszeit eine Zeit, an der das Taschengeld oft Thema ist?
Teilweise schon, denn es wird ja auch erwartet, dass Kinder - zumindest ältere - Geschenke kaufen. Dann reicht das Taschengeld oft nicht und Eltern sollten mit ihren Kindern überlegen, ob es unter diesen besonderen Umständen einen Zuschuss gibt. Auch bei anderen Besonderheiten, wenn Jahrmarkt ist oder die Familie in Urlaub fährt, sollten Eltern schauen, ob das Taschengeld reicht - gerade bei Jugendlichen, die auch mal alleine losziehen wollen.
Interviewpartnerin Susanne Mattern, ist Diplom-Pädagogin und 2. Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes Rheinland-Pfalz.